Unser tierischstes Paddelerlebnis

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von Tanja und Detlef Bobenhausen

Teil 1: Alles ist gut

Alles ist voll mit Booten und Menschen, eben Hauptsaison an der schwedischen Westküste. Alle Schweden haben Urlaub. Zum Übernachten im Zelt suchen wir einen möglichst einsamen Platz. So ungefähr unsere letzte Chance in diesem Schärengebiet etwas für uns zu finden, stellt sich als Volltreffer heraus. Wir befinden uns im Südteil der Insel Vallerö, in gut einem Kilometer Entfernung von der bewohnten und pittoresken Urlauberinsel Käringön. Dieser Übernachtungsplatz lässt keine Wünsche offen. Wir können bequem anlegen und die Boote an Land bringen. Direkt am Wasser befindet sich eine ebene, trockene, weiche und wie gemäht erscheinende Rasenfläche für unser Zelt. So etwas ist purer Luxus in der Schärenwelt. Wo ist der Campingplatzwart? Nach dem Zeltaufbau wird gekocht. Auch dafür ist in unmittelbarer Nähe ein hervorragend geeigneter Untergrund vorhanden. Es gibt leckere Erbsensuppe mit Bockwurst. Outdoor und in dieser herrlichen Schärenwelt zubereitet, können wir uns im Moment nichts Wohlschmeckenderes vorstellen. Dazu gibt es Mona Lisa. Ein edler Tropfen, der jede der vielen bezahlten Kronen im Systembolaget (Schwedischer Alkoholshop) wert ist. Nicht nur als Begleitwein zum Essen, sondern später auch als Sundowner ist er prädestiniert. So macht Sonnenuntergang gucken doppelt Spaß.
Bevor wir uns ins Zelt zurückziehen, beschließen wir noch, morgen ordentlich lange auszuschlafen. Das haben wir uns verdient. Und dann soll es ein üppiges Frühstück geben. Eier und Speck haben wir ja schließlich nicht umsonst mitgebracht. Soweit unser Plan.

 

Teil 2: Verteidigung und Flucht

Gegen 5 Uhr morgens muss Tanja mal raus. Unser Zelt steht als unbekanntes Objekt zu diesem Zeitpunkt schon unter Beobachtung. Eine Rinderherde steht gute zehn Meter vom Zelt entfernt und alle glotzen herüber. Vor dem Zelt haben sie offensichtlich einen gewissen Respekt. Das gilt aber nicht für Menschen. Als sie uns sehen, kommen sie langsam immer näher. Voran schreitet eine Leitkuh, gefolgt von Mutterkühen mit ihren neugierigen Kälbern. Der noch größere Ochse bleibt glücklicherweise im Hintergrund. Eine dicke Kuh trampelt übers Paddelboot. Das sieht gefährlich für unser Boot aus. Eine andere Kuh knallt beim Vorbeigehen gegen den Rumpf. Eine weitere Kuh knabbert den Toggel des Bootes an. Noch eine andere interessiert sich für die silbernen Heringe vom Zelt. Wir versuchen durch beruhigende Ansprache und sicherheitshalber die Paddel in der Hand haltend, das Schlimmste zu verhindern. Ein kleines Kalb ist besonders neugierig und schlabbert die Apside unseres Zeltes ab. Jetzt will es die Eingangstür verspeisen. Tanja nimmt allen Mut zusammen und geht dazwischen. Sie haut mit dem Paddel auf das Zeltgestänge. Das Kalb erschreckt sich und macht einen riesigen Satz zur Seite. Die Leitkuh dreht ihren mächtigen Kopf zu Tanja. Sie spricht nicht, aber Tanja hat trotzdem verstanden, was gemeint ist: „Mach das ja nicht noch einmal!“

Wir machen ein Friedensangebot, in dem wir unsere Paddelboote von der Kuh-Wiese entfernen und auf die Felsen legen.

Unmittelbar neben dem Zelt stehend, schüttelt die Leitkuh ihren Kopf. Dabei fliegt ein guter halber Liter Kuhschleim auf unser schönes Zelt. Das ist zu viel für Tanja – sie muss kotzen.

Endlich beschließt die Leitkuh uns am Leben zu lassen und mit ihrer Bande weiterzuziehen – aber nur ein paar Meter. Wir stehen immer noch unter Beobachtung.

Wahrscheinlich werden die Rindviecher irgendwann auf gleichem Weg zurückkommen. Dieser Gefahr wollen wir uns nicht aussetzen. Das geplante opulente Frühstück muss ausfallen. Wir bauen in Rekordzeit unser Lager ab und flüchten aufs sichere Meer.

Und wer sich jetzt fragt, was Detlefs Beitrag in dieser heiklen Situation war? Ganz einfach: „Einer musste ja die Fotos machen“.

 

Dienstag 19.07.22

Malö Camping -> Ellös -> Stocken -> Schärengebiet westlich von Stocken -> Südteil Insel Vallerö (Insel Käringön in Sichtweite 1 km entfernt)

Start 11:05 bis 18:00 Uhr, 18 km, meist sonnig, 23-27 °C, W 2-3