Turaner fliehen vor der Sommerhitze

Wenn das Thermometer in Bremen bei stabiler Hochdruckwetterlage die 30°-Marke knackt, dann ruft das Meer. Der Ruf kommt auch bei uns an. Steffens Vorschlag am Donnerstag: „Samstag Abend gehen wir von Horumersiel mit dem ablaufenden Wasser der Außenjade nach Minsener Oog. Wir biwakieren und am frühen Sonntag Morgen brechen wir auf, Rund Wangerooge und zurück nach Horumersiel. Am frühen Nachmittag sind wir zurück. Hast Du Lust mitzukommen?“ Ich habe!

Nach kurzer Anreise, und Verstauen unseres kleinen Gepäcks verlassen wir gegen 19:30 Uhr den Hafen. Mit der starken Strömung der Jade geht es mit bis zu 12 Stundenkilometern in einer knappen Stunde an den Südzipfel Minsener Oogs. Dort, außerhalb von Schutzzonen und „am trockengefallenen Wattrand eines zugelassenen Fahrwassers“ dürfen wir uns im Einklang mit den strengen Befahrensregeln vorübergehend aufhalten. Nach einem kühlen Bad im Wattfahrwasser und einem Abendessen vom Campingkocher werden wir von einem dramatischen Sonnenuntergang auf unsere kommende Umrundung Wangerooges eingestimmt.

Bereits um  7:00 Uhr erlaubt die Tide unsere Weiterfahrt. Der Wind kommt ideal von NO, die Sonne bleibt lange hinter einer dünnen Wolkendecke verborgen. So gleiten wir über eine recht ruhige Nordsee, vorbei an der Ostseite der Insel Minsener Oog, die bis auf die saisonale Anwesenheit eines Vogelwarts unbewohnt ist. Wir sehen dort einige irgendwie abweisende technische Anlagen und Gebäude und umfahren wenig später den nach Norden herausragenden Damm der Buhne A mit ihrem mit viel Beton mühsam zusammen gehaltenen Leuchtfeuer an der Spitze. Fast die ganze Insel ist Schutzgebiet für Seevögel und darf nicht betreten werden.

Von dort ist Wangerooge schon gut zu sehen. Die Route führt uns über die Blaue Balje auf der Seeseite der Insel bis westlich Wangerooge Ort. Dort gehen wir an Land, um die Flut abzuwarten, die uns durch das Harle-Seegatt wieder ins Watt spülen soll. Zu diesem Zeitpunkt ist das Watt noch bis zum Festland trocken gefallen. Wir haben noch genug Zeit, bis der Wattrücken über die „Telegraphenbalje“ wieder befahrbar ist. Daher fahren wir noch in den Hafen Wangerooge West für eine Stippvisite ein und setzen unsere Fahrt gemächlich fort. Wenige hundert Meter vor dem Wattenhoch müssen wir zunächst aussteigen und ziehen unsere Boote noch ein Stück durch knöcheltiefes Wasser bis wir im Schlick stecken bleiben. Steffen hatte die Runde bewusst so geplant, dass wir einen Teil der „slack-time“ am trocken liegenden Wattrücken verbringen können, um diesen einzigartigen Lebensraum einmal anders als sonst zu erleben. So beobachten wir im Boot sitzend, eine Stulle essend, die Vögel und schauen dem steigenden Wasserspiegel zu. Wir berechnen mit dem „Wattpaddler“, einer von Steffen programierten App, die verbleibende Wartezeit, bis uns die Flut die Überquerung des Rückens erlaubt. Das Wasser steigt immer schneller, sodass sich die ausgeworfene Prognose als ziemlich treffend erweist. Gegen 12:45 Uhr passieren wir das Wattenhoch und müssen von da ein ganzes Stück gegen das nun von Osten auflaufende Wasser anfahren. Jedenfalls bis wir auf das uns schon bekannte Wattfahrwasser der Blauen Balje stoßen, die uns dann wieder mit nach Südosten Richtung Außenjade nimmt. Schon weit vor Erreichen des betonnten Fahrwassers reißt uns der Jade Strom förmlich mit. Die Flut schiebt hier so stark, dass wir nun mit bis zu 14 Stundenkilometern zurück nach Horumersiel jagen.

Bereits um 14:30 Uhr nach insgesamt 52 Km Strecke sind wir zurück im „Heimathafen“. Schade eigentlich, es fühlt sich an, wie nach einem zu kurzen Urlaub. Aber die Saison ist ja noch nicht zu Ende …

Nicht lange nach dem Packen unserer Utensilien und dem Aufladen der Boote, im Wagen sitzend, fordert der Mangel an Schlaf und die Strecke ihren Tribut: Auf der Heimfahrt schon kurz nach dem Start fallen mir die Augen bleischwer zu. Gut, dass Steffen am Steuer sitzt – putzmunter.

 

 

Warnung: Die beschriebene 52 Km lange Seekajaktour auf „tidebeeinflusstem Gewässer“ erfordert von allen Teilnehmern mindestens Seebefähigung (entsprechend EPP 3 Küste / A3-Schein der Salzwasserunion) und eine gute Kondition. Ein ausgebildeter Fahrtenleiter (EPP4/5 Küste oder B5 Salzwasserunion) sollte die Fahrt begleiten. Unerlässlich ist eine seetaugliche Vollausstattung von Boot und Paddler. Die Wind-, Wellen- und Strömungsbedingungen können sich im Wattenmeer schnell verändern und zu kritischen Situationen führen, die sich zu einem Seenotfall auswachsen können!