Schnupperfahrt nach Neuwerk

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ein Bericht von Christa Blendermann

„Jetzt fahr´n wir übers Meer, übers Meer….“

Am Freitag Nachmittag geht es nach dem gemeinsamen verladen und verstauen unserer Boote und des Gepäcks für das Wochenende auf in Richtung Spieka-Neufeld. Eine angenehm kurze Anfahrt für ein besonderes Erlebnis.

Der Campingplatz in Spieka-Neufeld ist ein Kleinod zwischen Kühen links und Hasen (ja, Hasen) rechts auf den Weiden. Der kleine Hafen mit Fischerbooten und das Meer direkt davor. Wir lassen die Gedanken der Arbeitswoche mit dem Wind fliegen und bauen allein oder mit Unterstützung im Wind unsere Zelte auf. Dabei erfahren wir wieder Nützliches, wie ein Zelt zum Wind ausgerichtet werden sollte. Nachdem wir eingerichtet sind, kochen wir in kleinen Kochgemeinschaften unsere Abendessen und genießen den Wind, die Sonne und den Sommer.

Brote für den nächsten Tag werden schon vorbereitet, da wir am nächsten Morgen um 7:30 Uhr auf dem Wasser sein wollten. Das hat dann aber nicht ganz geklappt…

Wir starten bequem an der kleinen Slipanlage und paddeln den Hafen raus aufs Meer. Erstes Hurra. Weiter Blick. Jeder hatte im Vorfeld eine kleine Seekarte erhalten. Ich beschreibe es mal unfachmännisch, mit viel grün, verschiedenen Blautönen, verschiedenen Linien, Tonnen und Priggenwegen.

Aber unser Fahrtenleiter Steffen wird nicht müde, uns damit vertraut zu machen, damit wir nicht nur blind hinterherfahren. Dazu ermutigt er immer wieder einen der Teilnehmer vorauszufahren und die Gruppe anzuführen. Wir folgen dem Priggenweg Richtung Norden und treffen schon bald auf eine Gabelung des Priggenweges. Nach Süden geht es nach Bremerhaven, also aufgepasst.

Es gibt unterwegs nur wenige Tonnen in diesem wenig befahrenen Seegebiet. Auch die Priggen stehen oft weit auseinander. Tonne WE14 können wir in der Ferne sehen. Wir fahren weiter einen nördlichen Kurs. Der Ebbstrom versetzt uns nach Westen. Unsere Augen scannen den Horizont nach Priggen und Tonnen ab. Kann das da vorne schon eine Tonne sein? Das Wasser umgibt uns still und ruhig und schimmert silbern („Jetzt fahr´n wir übers Meer, übers Meer…“).

Die Strömung in den Prielen und über die Wattrücken verändert sich ständig. Ein kurzes Stück müssen wir über ein Flach treideln, ziehen die Boote durch flaches Wasser hinter uns her. Schnell erreichen wir aber wieder tieferes Wasser. Östlich von uns zwei dicht nebeneinanderstehende Tonnen. Sind es die erwarteten WE 18 und WE 20? Wir steuern die erste an, um genau zu wissen, welche es ist. Super WE 18.

Mit dem ablaufenden Wasser hebt sich immer mehr Sand aus dem Wasser. Uns erscheinen die Rücken als Berge, denn Watthöhen von über 1 Meter können wir als Paddler nicht mehr überblicken. Einmal biegen wir in eine vermeintliche Durchfahrt ein, aber wir spüren schnell, dass uns Wasser entgegenläuft.  Hier gibt es also keine Durchfahrt, wir drehen ab und folgen der Sandbank weiter.

Der Schafsand ist die letzte Sandbank, die umfahren werden muss. Nun geht es durch das „Neuwerker Loch“, den Priel, der diekt an Neuwerk vorbeiführt. Das ablaufende Wasser kommt uns jetzt entgegen, wir kommen trotzdem immer noch mit 3 kn gut voran.

Aber dann: „Oh Schreck“, das Wasser reicht nicht mehr bis an den Anleger auf Neuwerk. Ein kräftezehrendes Rollern über den Meeresboden folgt. Aber gemeinsam schaffen wir auch das. Wir sind erschöpft, als wir endlich festen Sand unter den Füßen haben. Dann noch einmal bis zum Anleger: Boote ausladen (wer große Packsäcke hat ist im Vorteil), Schokolade für die Motivation, und dann noch einmal die Boote anheben und durch die Absperrung heben. Geschafft, wir haben die Insel erreicht. Welch eine Strapaze für 800 Meter!

Wir werfen uns glücklich in das letzte verbliebene Wasserloch am Anleger. Manch eine verlässt verschreckt das erfrischende Nass, als sie die krabbelnden Krabben unter den Händen fühlt. Erfrischt rollern wir zum Campingplatz und bauen wieder unsere Zelte auf.

Das geplante „Wattwandern“ hatten wir ja bereits erledigt und so erkunden wir nun gemütlich gemeinsam die Insel.

Eis genießend liegen wir unterhalb des alten Leuchtturms (das älteste erhaltene Gebäude Hamburgs) im Schatten, als Bernd ankündigt, er steige jetzt auf den Turm. Bis dahin wussten wir anderen nicht, dass wir es auch wollten, denn die Strapazen, die Boote über das Watt zu rollern, wirken noch etwas nach.

Vom Turm genießen wir den Blick über das Meer mit Elbefahrwasser, Wattflächen, zahlreichen Leuchttürmen und den Inseln Neuwerk und Scharhörn und Nigehörn.

Vor der Rückfahrt am Sonntag haben wir viel Zeit: Hochwasser in Spieka ist erst um 18:42 Uhr. Wir wollen versuchen,  1,5 Stunden nach dem Niedrigwasser Neuwerk zu starten und hoffen, dann bereits genügend Wasser zu haben.

Für die Frühaufsteher unter uns gibt es ein morgendliches Bad in der Nordsee bei Sonnenschein. Links vom kleinen Hafen, in dem das Feuerwehrschiff von Hamburg liegt, schreiten wir bequem über eine Holztreppe ins Wasser.

Wir können entspannt unser Frühstück zubereiten und schauen den anderen Campern dabei zu, wie sie Ihre „Burgen“ für die Nacht wieder verstauen und sich schon bereit machen für ihre Abfahrt mit der Pferdekutsche oder der Fähre. Dabei liest uns Steffen einen Bericht über seine Kajaktour Rund Scharhörn auf den Spuren des Romans „Das Rätsel der Sandbank“ vor. Denn diese spannende Geschichte spielt genau hier im Bereich der Außenweser.

Da wir immer noch Zeit haben, besprechen wir nautische Fragen wie die Zwölferregel, die Missweisung des Kompasses und reparieren Ausrüstung. Wir sehen uns an, womit wir unsere Schwimmwesten ausgerüstet haben und wie z.B. das Handy für den Notfall besser verstaut werden kann.

Es soll uns nicht noch einmal passieren, dass wir nicht pünktlich fertig sind. Zeitig beginnen wir mit dem Packen unserer Ausrüstung.

Dann soll es losgehen, da kommen die nächsten Tagesgäste mit den Kutschen auf die Insel und zu unserem Wirt. Da heißt es Rücksicht nehmen, die Kutschen haben Vorfahrt. Als die Gäste alle abgestiegen sind, bleiben die Kutscher bei den Pferden, damit sie nicht scheuen und wir können vorbei rollern.

Am Anleger stellen wir fest, es ist noch nicht genügend Wasser da. Wir warten. Dann treideln wir, dann stranden wir wieder. Warten auf das Wasser. Als Zeitvertreib lernen wir den Palstek und binden damit die Vorleine um den Bauch, um das Boot leichter ziehen zu können. Dann rollt gut sichtbar die Flutwelle heran.

Dieselbe Strecke zurück und das Meer sieht völlig anders aus.

Die Sandbänke sind mit Wasser überspült, aber an manchen Stellen auch nur knapp. Wir haben NW 4-5, das Wasser ist bewegt und liefert uns schöne Surfwellen.

Wir passieren Tonne WE 18, schon ein bekannter Punkt. Wegen der Abdrift durch Flut und nordwestlichen Wind halten wir zur Tonne WE 14 20° vor und landen trotzdem ein Stück östlich davon. Als wir auf den Priggenweg treffen, spüren wir den seitlichen Hauptstrom deutlich. Es wird kabbelig. Die Wellen kommen von der Seite und von hinten. In ruhigeres Wasser rechts vom Priggenweg zu kommen, verlangt manchen viel ab. Einigen gelingt es, das Surfen auf den Wellen zu genießen.

Susanne und Steffen haben uns immer im Blick und sorgen an den nötigen Stellen für Hilfe, Ansagen oder dafür, dass wir zusammenbleiben.

Bernd will kurz vor dem Ziel noch von Steffen gezeigt bekommen, wie er wieder alleine ins Boot kommt. Das klappte auf Anhieb. Mal eben so, kurz vorm Ziel! Nach gut 3 Stunden Fahrtzeit erreichen wir Spieka. Wir ergattern noch schnell ein Fischbrötchen, bevor die Bude schließt.

Verpacken, verladen, nachspüren.

Ach ja, die Purzelbäume, die das Herz auf dem Meer schlägt: Ich habe aufgehört zu zählen…

 

 

Fotos von Susanne, Christa und Steffen